Es gibt praktisch kein Leben ohne Krisen. Jede Gesellschaftsform kennt ihre Krisen – jede individuelle Biographie auch. Krisen können willkommen sein oder gefürchtet werden.
Ein Grund für Krisen ist die menschliche Natur selbst. Krisen sind durch die Potentialunendlichkeit des Menschen bedingt, so der Philosoph Freiherr Bela von Brandenstein. Denn Menschen fehlt die Seinsvergessenheit von Tieren. Nichts scheint selbstverständlich. Damit unterliegt das Leben einer andauernden Gefährdung. Krisen sind ein Ausdruck dieser Gefährdung. Ebenso sind sie Anlass, das Leben wieder zu stabilisieren oder zu erhalten. Auch Kreativität in Kunst, Literatur und Wissenschaft ist letztlich ein Phänomen menschlicher Krisenanfälligkeit.
Krisen verlangen fast immer nach Lösungen, können aber oft nicht aufgelöst werden. Sie wirken wie ein Appell auf uns. Krisen lassen Menschen an sich selbst verzweifeln und an sich selbst wachsen.
Krisen können ungeahnte Fähigkeiten in uns wachrufen oder uns bis zur Bewegungslosigkeit lähmen. Krisen brauchen Bewusstsein. Und Krisen müssen auch beendet werden können.
Manchmal erscheint uns das Leben selbst als eine einzige große Krise. Es ist unmöglich, sich Krisen zu entziehen. Das Vermögen des Menschen, sich in Krisen selbst zu helfen, ist einzigartig.
Manchmal sehen wir aber auch Widersprüche des Lebens ungerechtfertigt als Krisen an. Wir können Krisen herbeireden. Unsere heutige Zeit scheint eine besondere Krisenlust zu kennen.
Trotz aller Unterschiede in ihrer Form haben alle Krisen etwas gemeinsam: Sie fordern uns heraus und zwingen das Bewusstsein.
Man muss Krisen einen Sinn verleihen können und sie in ihrem jeweiligen Zusammenhang betrachten. So lassen sie uns wachsen und werden zugleich relativiert. Ansonsten können Krisen sich gegen uns wenden.
Nicht immer werden Krisen zur Gefahr – wohl aber ihre Missachtung! Krisen müssen durchgestanden werden, damit wir uns mit dem Leben verankern können. Krisen müssen überwunden werden, damit wir uns vom Leben lösen und frei werden können. Die Bedrohlichkeit von Krisen nimmt mit wachsendem Bewusstseinsgrad ab – oft aber auch zu. Dann geht es nicht mehr darum, sich einer Sache bewusst zu werden, sondern ihr zu vertrauen.
Krisen können einen offenen oder unterschwellig Charakter haben. Sie können von kurzer Dauer sein oder sich über viele Jahre hinstrecken. Auch ein unbelastetes Leben kann in eine Krise führen. Manchmal sind wir selbst der Auslöser für Krisen, manchmal sind wir von Krisen betroffen.
Oft brauchen Krisen keine Lösung. Wichtiger ist es zumeist, sich in Krisen mitteilen zu können.